Ja, sagt Torsten Krauel
Nicht nur Museen sollten Raubgut zurückgeben, und nicht nur nach „Afrika“, wie der ethnisch, geografisch und kulturell so vielfältige Kontinent vereinfachend genannt wird. Die Benin-Bronzen für das Humboldt-Forum stammen aus der Zerstörung und Plünderung der Hauptstadt des Königreiches Benin an der Südküste des heutigen Nigeria. Es war ein britischer Racheakt für das vorangegangene Massaker an einer verdeckt bewaffneten britischen Delegation, die das regionale Handelsmonopol Benins brechen wollte. Mit der Versteigerung der Bronzen wollte London die Strafexpedition finanzieren.
Wie würde man es beurteilen, wenn umgekehrt Benin ins damalige Preußen eingefallen wäre, um dessen Zölle zu beseitigen, wenn die Preußen diese Truppe umgebracht und Benin daraufhin Berlin zerstört und alle Dürers, Holbeins und Cranachs mitgenommen hätte, um sie in Lagos und Kinshasa zu versteigern? Mindestens diesen kulturellen Stellenwert haben für Nigeria die Bronzen, die deutsche Museen bei den Auktionen des Raubgutes ersteigerten. Das geplante Museum für westafrikanische Kunst in Benin-Stadt hat das volle Recht auf die Originale. Den Zweck des Humboldt-Forums, ein Dialogplatz der Weltkulturen zu sein, erfüllen präzise Kopien dieser Kunstwerke ebenso gut.
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Meinung Kolonialismusdebatte
Es geht um Recht und Unrecht, um die Achtung des Eigentums- und des Völkerrechts. Deutschland, das aus gutem Grund die vertragsbasierte Weltordnung zur Staatsräson erhoben hat, kann jetzt in einer für viele Staaten wichtigen Frage einen Meilenstein setzen: Historische Hehlerware wird zurückgegeben. Deutschlands Einfluss in den UN wird dadurch erheblich wachsen. Die Staaten und Völker, denen Deutschland auch durch die Kunstrückgabe zeigt, dass sie in dieser Weltordnung selbstredend vollständig gleichberechtigt sind, werden das anerkennen. Frankreich hat schon einen solchen Schritt getan.
Auch Kriegswirren sprechen nicht gegen eine Rückgabe
Man mag einwenden, außerhalb Europas sei die Kunst nicht sicher. Aber nicht einmal die Zerstörung des Museums in Mossul durch den IS, die Einbrüche ins Ägyptische Nationalmuseum während des Arabischen Frühlings 2011 oder Maos Bildersturm in der Kulturrevolution sprechen gegen die Rückgabe. Nirgendwo sind so viele Kunstwerke vernichtet worden wie in Europas Revolutionen und im Zweiten Weltkrieg.
Apropos Krieg, Revolution und Eigentumsrecht: Es ist sehr gut, dass Berlins Kultursenator Klaus Lederer von der Linkspartei den „großen kolonialen Raubzug“ beklagt und die Rückgabe der Bronzen an Nigeria deshalb ausdrücklich befürwortet. Die Linke plädiert ohne Wenn und Aber für das historische Eigentumsrecht? Dann wird sie auch Wege finden, den Raubzug zu verurteilen, den die SED nach 1946 am Mittelstand und am Adel, an Fabrikanten, Handwerkern und „Republikflüchtigen“ begangen hat. Eigentums- und Völkerrecht sind weltweit unteilbar.
Der Autor liebt Museen, aber nicht das Recht des Stärkeren.
Nein, sagt Rainer Haubrich
Zu den bleibenden Erinnerungen meiner Kindheit in Brüssel gehören die regelmäßigen Ausflüge in den Park von Tervuren und die Besuche im dortigen Kongo-Museum. Das war ein riesiger Palast, in dem sich uns Kindern eine fremde, faszinierende, manchmal auch gruselige Welt eröffnete: Es gab ausgestopfte Tiere, manche dargestellt, wie sie gerade ihre Beute töten, es gab nachgebaute Hütten, Jagd- und Kriegswaffen, Angst einflößende Masken, Statuen, Instrumente, bunten Schmuck, Alltagsgegenstände.
In einem der größten Säle stand ein endlos langer Einbaum. Bei jedem Besuch schritt ich das Boot ab und strich mit einer Hand über die schön gearbeiteten dunklen Flanken. Ich lernte dort eine Menge über Afrika. Heute frage ich mich angesichts der Rückgabedebatten, was gewonnen wäre, wenn es dieses Museum nicht mehr gäbe – oder nie gegeben hätte?
Vor einigen Jahren wurde das Haus neu gestaltet, die Präsentation entrümpelt und um einen kritischen Blick auf die unrühmliche belgische Kolonialgeschichte erweitert. Heute heißt es Afrika-Museum. Auch dort wird jetzt über Restitutionen nachgedacht, der Direktor des Hauses, Guido Gryseels (weiß, Flame), zeigt sich offen dafür, meint aber: „Es bringt nichts zu sagen, alles soll zurück nach Afrika.“
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Denn am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo zeigt sich, dass solche Maximalforderungen, die fast nur von Europäern erhoben werden, wenig mit der Realität vor Ort zu tun haben. Der Direktor des Nationalmuseums in Kinshasa wäre schon froh, wenn man ihm helfen würde, seine 85.000 Objekte zu sichern und zu inventarisieren. Es gibt keine Aufbewahrungsorte und keine Restaurierungswerkstätten. Ihm geht es weniger um Rückgabe als um Zugang zu westlichen Sammlungen, um Ausstellungen zu organisieren.
Artefakte aus Afrika sind überwiegend Stämmen zuzuordnen, deren Nachfahren sich heute oft auf verschiedene Länder verteilen. Wer wäre dort der offizielle Ansprechpartner? Auch wollen manche Regierungen nur bestimmte Objekte zurückhaben, die ihrer parteiischen Sicht auf die Nationalgeschichte entsprechen; dem sollte man nicht Vorschub leisten. Und dann gibt es Länder mit Bürgerkriegen, in denen die Gefahr besteht, dass Kulturgüter des Gegners bewusst zerstört werden.
Man könnte Besitzverhältnisse umkehren
In deutschen Völkerkundemuseen lagern rund eine Million Objekte, deren Provenienz in vielen Fällen nicht geklärt ist. Ihre komplette Rückgabe ist unmöglich. Die meisten Experten plädieren daher für individuelle Lösungen. Man könnte Teile zurückgeben, man könnte die Besitzverhältnisse umkehren und die Objekte als Leihgaben der Ursprungsländer zeigen, man sollte Sammlungen digitalisieren und so weltweit zugänglich machen. Die radikale Position aber, alle jemals in Afrika geraubten Objekte zurückzugeben, wird der komplizierten Wirklichkeit nicht gerecht.
Der Autor hatte früh ein Faible für Zentralafrika: Sein Lieblingstier war der Elefant.
Author: Susan Foster
Last Updated: 1703151722
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