header banner
Default

Sollten deutsche Museen die Raubkunst nach Afrika zurückgeben? - WELT


DIE WELT Fotoshooting 27.09.-07.10.2016

WELT-Autor Torsten Krauel

Quelle: Claudius Pflug

Ja, sagt Torsten Krauel

VIDEO: Koloniales Erbe und Raubkunst: Was tun? | Doku | NDR | Kulturjournal
NDR Doku

Nicht nur Museen sollten Raubgut zurückgeben, und nicht nur nach „Afrika“, wie der ethnisch, geografisch und kulturell so vielfältige Kontinent vereinfachend genannt wird. Die Benin-Bronzen für das Humboldt-Forum stammen aus der Zerstörung und Plünderung der Hauptstadt des Königreiches Benin an der Südküste des heutigen Nigeria. Es war ein britischer Racheakt für das vorangegangene Massaker an einer verdeckt bewaffneten britischen Delegation, die das regionale Handelsmonopol Benins brechen wollte. Mit der Versteigerung der Bronzen wollte London die Strafexpedition finanzieren.

Wie würde man es beurteilen, wenn umgekehrt Benin ins damalige Preußen eingefallen wäre, um dessen Zölle zu beseitigen, wenn die Preußen diese Truppe umgebracht und Benin daraufhin Berlin zerstört und alle Dürers, Holbeins und Cranachs mitgenommen hätte, um sie in Lagos und Kinshasa zu versteigern? Mindestens diesen kulturellen Stellenwert haben für Nigeria die Bronzen, die deutsche Museen bei den Auktionen des Raubgutes ersteigerten. Das geplante Museum für westafrikanische Kunst in Benin-Stadt hat das volle Recht auf die Originale. Den Zweck des Humboldt-Forums, ein Dialogplatz der Weltkulturen zu sein, erfüllen präzise Kopien dieser Kunstwerke ebenso gut.

Lesen Sie auch

Emmanuel Macron will die Rückgabe kolonial kontaminierten Kulturerbes an Afrika

Meinung Kolonialismusdebatte

Es geht um Recht und Unrecht, um die Achtung des Eigentums- und des Völkerrechts. Deutschland, das aus gutem Grund die vertragsbasierte Weltordnung zur Staatsräson erhoben hat, kann jetzt in einer für viele Staaten wichtigen Frage einen Meilenstein setzen: Historische Hehlerware wird zurückgegeben. Deutschlands Einfluss in den UN wird dadurch erheblich wachsen. Die Staaten und Völker, denen Deutschland auch durch die Kunstrückgabe zeigt, dass sie in dieser Weltordnung selbstredend vollständig gleichberechtigt sind, werden das anerkennen. Frankreich hat schon einen solchen Schritt getan.

Auch Kriegswirren sprechen nicht gegen eine Rückgabe

VIDEO: Das Humboldt Forum - Raubkunst in Berlin? | ZDF Magazin Royale
ZDF MAGAZIN ROYALE

Man mag einwenden, außerhalb Europas sei die Kunst nicht sicher. Aber nicht einmal die Zerstörung des Museums in Mossul durch den IS, die Einbrüche ins Ägyptische Nationalmuseum während des Arabischen Frühlings 2011 oder Maos Bildersturm in der Kulturrevolution sprechen gegen die Rückgabe. Nirgendwo sind so viele Kunstwerke vernichtet worden wie in Europas Revolutionen und im Zweiten Weltkrieg.

Apropos Krieg, Revolution und Eigentumsrecht: Es ist sehr gut, dass Berlins Kultursenator Klaus Lederer von der Linkspartei den „großen kolonialen Raubzug“ beklagt und die Rückgabe der Bronzen an Nigeria deshalb ausdrücklich befürwortet. Die Linke plädiert ohne Wenn und Aber für das historische Eigentumsrecht? Dann wird sie auch Wege finden, den Raubzug zu verurteilen, den die SED nach 1946 am Mittelstand und am Adel, an Fabrikanten, Handwerkern und „Republikflüchtigen“ begangen hat. Eigentums- und Völkerrecht sind weltweit unteilbar.

Der Autor liebt Museen, aber nicht das Recht des Stärkeren.

Rainer Haubrich

WELT-Autor Rainer Haubrich

Quelle: Claudius Pflug

Nein, sagt Rainer Haubrich

VIDEO: Raubkunst aus Afrika | DW Dokumentation
DW Deutsch

Zu den bleibenden Erinnerungen meiner Kindheit in Brüssel gehören die regelmäßigen Ausflüge in den Park von Tervuren und die Besuche im dortigen Kongo-Museum. Das war ein riesiger Palast, in dem sich uns Kindern eine fremde, faszinierende, manchmal auch gruselige Welt eröffnete: Es gab ausgestopfte Tiere, manche dargestellt, wie sie gerade ihre Beute töten, es gab nachgebaute Hütten, Jagd- und Kriegswaffen, Angst einflößende Masken, Statuen, Instrumente, bunten Schmuck, Alltagsgegenstände.

In einem der größten Säle stand ein endlos langer Einbaum. Bei jedem Besuch schritt ich das Boot ab und strich mit einer Hand über die schön gearbeiteten dunklen Flanken. Ich lernte dort eine Menge über Afrika. Heute frage ich mich angesichts der Rückgabedebatten, was gewonnen wäre, wenn es dieses Museum nicht mehr gäbe – oder nie gegeben hätte?

Vor einigen Jahren wurde das Haus neu gestaltet, die Präsentation entrümpelt und um einen kritischen Blick auf die unrühmliche belgische Kolonialgeschichte erweitert. Heute heißt es Afrika-Museum. Auch dort wird jetzt über Restitutionen nachgedacht, der Direktor des Hauses, Guido Gryseels (weiß, Flame), zeigt sich offen dafür, meint aber: „Es bringt nichts zu sagen, alles soll zurück nach Afrika.“

Lesen Sie auch

Die Besucher des Humboldt Forums werden in erster Linie ein „neues“ Berliner Schloss wahrnehmen, hier die Fassade des Ostflügels

Denn am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo zeigt sich, dass solche Maximalforderungen, die fast nur von Europäern erhoben werden, wenig mit der Realität vor Ort zu tun haben. Der Direktor des Nationalmuseums in Kinshasa wäre schon froh, wenn man ihm helfen würde, seine 85.000 Objekte zu sichern und zu inventarisieren. Es gibt keine Aufbewahrungsorte und keine Restaurierungswerkstätten. Ihm geht es weniger um Rückgabe als um Zugang zu westlichen Sammlungen, um Ausstellungen zu organisieren.

Artefakte aus Afrika sind überwiegend Stämmen zuzuordnen, deren Nachfahren sich heute oft auf verschiedene Länder verteilen. Wer wäre dort der offizielle Ansprechpartner? Auch wollen manche Regierungen nur bestimmte Objekte zurückhaben, die ihrer parteiischen Sicht auf die Nationalgeschichte entsprechen; dem sollte man nicht Vorschub leisten. Und dann gibt es Länder mit Bürgerkriegen, in denen die Gefahr besteht, dass Kulturgüter des Gegners bewusst zerstört werden.

Man könnte Besitzverhältnisse umkehren

VIDEO: Koloniale Raubkunst: Zeit für einen "kulturellen Mauerfall"? | DW Nachrichten
DW Deutsch

In deutschen Völkerkundemuseen lagern rund eine Million Objekte, deren Provenienz in vielen Fällen nicht geklärt ist. Ihre komplette Rückgabe ist unmöglich. Die meisten Experten plädieren daher für individuelle Lösungen. Man könnte Teile zurückgeben, man könnte die Besitzverhältnisse umkehren und die Objekte als Leihgaben der Ursprungsländer zeigen, man sollte Sammlungen digitalisieren und so weltweit zugänglich machen. Die radikale Position aber, alle jemals in Afrika geraubten Objekte zurückzugeben, wird der komplizierten Wirklichkeit nicht gerecht.

Der Autor hatte früh ein Faible für Zentralafrika: Sein Lieblingstier war der Elefant.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte von Drittanbietern

Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Sources


Article information

Author: Susan Foster

Last Updated: 1703151722

Views: 1094

Rating: 4.6 / 5 (104 voted)

Reviews: 84% of readers found this page helpful

Author information

Name: Susan Foster

Birthday: 1987-01-26

Address: 561 Christopher Stravenue, Carlsonberg, WI 70373

Phone: +3539663713135828

Job: Mechanic

Hobby: Board Games, Meditation, Robotics, Scuba Diving, Knitting, Geocaching, Chocolate Making

Introduction: My name is Susan Foster, I am a forthright, honest, risk-taking, priceless, transparent, expert, Adventurous person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.